Die Medienfrau
Am Mikrofon: Rundfunk - Redakteurin von Beruf
Das LANDESFUNKHAUS KIEL des NORDDEUTSCHEN RUNDFUNKS war Ende der sechziger Jahre noch eine sehr kleine Einrichtung, die in ›Fenstern‹ auf NDR 1 (Musikfarbe: Schlager und Folklore) regionale Beiträge aus Schleswig-Holstein für Schleswig-Holstein verbreitete. Seinem derzeitigen Leiter Thomas Victor Adolph verdanke ich nicht nur das Volontariat, sondern viel mehr noch die offenen Einblicke in die gesellschaftlichen Hintergründe und Eitelkeiten des - immer noch - so durch und durch männlichen Metiers und Milieus. Durch den Nachruf auf Thomas Victor Adolph erfuhr ich, dass er Kinderbücher geschrieben hat. Das Arbeitsamt hatte mir abgeraten - zu anstrengend für eine Frau!
Der NORDDEUTSCHE RUNDFUNK bildete noch ›vor Ort‹ aus, das bedeutete: Lernen unter der Anleitung älterer Kollegen. Was in Erinnerung blieb? Eine historische Spurensuche quer durch das nördlichste Bundesland. Wolfgang Trense im ZEITFUNK hatte eine Serie »Seltene Ortsnamen« angeregt: SACHSENBANDE (wo der »Bann«, die Rechtsordnung der Sachsen endete) oder GRÖNLAND (Grünes Land) bei Itzehoe. Pastoren, Lehrer und Alt - Eingesessene waren die Gesprächspartner, meist sprachen sie Platt. LAND UND LEUTE hieß die Sendung im LANDFUNK, zu der mich Gerd Aepinus (unvergessen) hinzuzog und mich lehrte, in Interviews den hektischen Tonfall der aktuell - Berichterstattung abzulegen. - Weiter mit der Regionalberichterstattung, doch nun mit ›Metropolen - Touch‹ in Hamburg. Als ›freie‹ Mitarbeiterin, Realisatorin (Reporterin) für die TV - Nachrichtensendung »Berichte vom Tage«. In der Abendzusammenfassung der Ereignisse vom Tage hatte man für einzelne Themen noch viel Zeit. Die Sendung schloss mit Beiträgen von elf bis zwölf Minuten Länge, meist aus dem Kulturbereich. Eine Mitarbeit im KULTURSPIEGEL bei Lucian Neitzel mit einem Beitrag über eine wissenschaftliche Studie zum ›Fernsehkonsum von Kindern‹ stellte die Weichen: Die praktische Ausbildung allein reichte nicht für anspruchsvolle Themen, deshalb fiel die Entscheidung für ein ›Doppelleben‹. Nur so ließ sich das Studium finanzieren.
Lucian Neitzel verdanke ich den Rat, der über die Studienwahl entschied. Nicht Journalistik, meinte er, für unseren Beruf musst du eine Sprache gut kennen, nimm Germanistik. Es wurden die Deutsche Philologie, die Romanische Philologie und die »Kunstgeschichte« (sic!). Die historischen Wissenschaften hätten dazu gehört, doch die Erkenntnis kam erst später. Der Versuch, den Lebensunterhalt für das zeitaufwendige Studium (nebst im Grundstudium allgegenwärtigen politischen Diskussionen und Demonstrationen) mit Hilfe des »Honnefer Modells« (einem Vorläufer des Bafög) zu bestreiten, war nicht durchzuhalten. Viel zu wenig, um davon zu leben. Auch Aufträge für das Fernsehen waren zu selten. Anders im Hörfunk, dort wurden täglich viele Beiträge gebraucht. So wurde das Radio mein Medium.
»Regionalisierung« in Norddeutschland
Der ›rote‹ NDR sollte geschliffen werden. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg nahm die Proteste gegen den Bau des Atomkraftwerks in Brokdorf zum Anlass, den RUNDFUNK-STAATSVERTRAG zu kündigen. Die Landes - »Fenster« sollten zu Vollprogrammen ausgebaut werden. Das führte zu vielen neuen Arbeitsplätzen (heute unvorstellbar viele, in allen Bereichen: Technik, Redaktionen, Verwaltung - allein in Hamburg ein dickes Buch mit Stellenausschreibugen). Doch der politische Kraftakt brachte nicht überall den erhofften Erfolg. Die NDR-HAMBURGWELLE hatte auch bei SPD-Bürgermeistern schnell den Ruf, "zu" kritisch zu sein. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Programms war der Ausbau dagegen eine mit großem Engagement angenommene Herausforderung. Politisch/gesellschaftlich hatte ja die Zeit des Auf- und Ausbaus im Kultur- und Bildungsbereich begonnen. Wortsendungen mit einer Länge von bis zu zwei Stunden kamen ins Programm. Über die Verteilung von Musik und ›Wort‹ entschieden die Redakteurinnen und Redakteure, die selbst am Mikrofon saßen, in der Regel zugunsten des Worts.
Bald schon Fachredakteurin für Bildungsfragen, tauchte ich tief in die Schul- und Hochschulpolitik Hamburgs ein, später kam die Berichterstattung über die Gewerkschaften hinzu. An der aktiven Gewerkschaftsarbeit im NDR war ich in den letzten Berufsjahren dabei.
...dann kam das "Formatradio"
Mit dem Aufbau privater Rundfunkanstalten in der Bundesrepublik brachen bei den Öffentlich - Rechtlichen Medien, auch bei uns, die Hörerzahlen ein. Es gab keinen Umbruch von heute auf morgen, aber die Richtung war eindeutig: Der Name unseres Landesprogramms Hamburg im Hörfunk wurde NDR 90,3. Den Programmablauf bestimmte von da an die "Musikuhr" mit strikten Vorgaben: Zwei Musiktitel, ein Wortanteil, egal ob ein ›Trailer‹ (eine Programmankündigung) oder der Wetterbericht, der immer ausführlicher wurde. Die Berichterstattung wurde im Gegenzug immer kürzer, auch im »Aktuellen«, Beiträge durften gerne unter einer Minute Sendezeit bleiben, selbst bei komplizierten, so den wissenschaftlichen Themen.
Mit 65 heißt es 'Tschüss'
1. September 2011: Der Beginn meiner beruflichen »Ruhephase«. Längst voll digital ausgestattet und auch beim technischen Teil unserer Arbeit am Computer weitestgehend auf mich selbst gestellt, schrieb ich zum letzten Mal per mail über den ›großen Verteiler‹: Vor über vierzig Jahren bin ich als Volontärin zum NDR gekommen . . . . Ich habe dem Sender abwechslungsreiche und aufregende Berufsjahre zu danken . . . . Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen weiterhin viel Erfolg. Die Zeiten werden nicht einfacher werden.